J. Nowak u.a. (Hrsg.): Zwischen Basel und Marseille

Cover
Title
Zwischen Basel und Marseille. Das Burgund der Rudolfinger (9.–11. Jahrhundert)


Editor(s)
Nowak, Jessika; Rüdiger, Jan
Series
Itinera - Beiheft zur SZG 46
Published
Basel 2019: Schwabe Verlag
Extent
173 S.
Price
CHF 48 / € 48
by
Hannes Steiner

Dieses Themenheft der Zeitschrift Itinera ist ganz dem früh- und hochmittelalterlichen Königtum der Rudolfinger (nicht seiner modernen Rezeption!) gewidmet und enthält neben einer kurzen Einleitung der Hrsg. die folgenden, hier kurz angezeigten Beiträge. François Demotz, Burgund – zwischen Tradition und Innovation. Diversität der Modelle und der Eliten an einer europäischen Drehscheibe, S. 20–47, arbeitet die Spezifika des burgundischen Königreichs im Schnittpunkt östlicher (spätkarolingisch-ottonischer) wie westlicher (westfränkischer) Einflüsse heraus. Jean-Claude Rebetez, Le diocèse de Bâle et la province de Besançon des origines au XIe siècle – des liens faibles et mal connus, S. 48–62, befasst sich mit der relativ späten Ausbildung der nur aus den vier Bistümern Besançon, Lausanne, Belley und Basel bestehenden und stets relativ heterogenen Kirchenprovinz Besançon und den fragilen Beziehungen des Metropoliten zu seinen Basler Suffraganen, die oft starken Einflüssen seitens der benachbarten deutschen Bischofssitze ausgesetzt waren. Andrea Hauff, Die Stellung des Erzbischofs und Erzkanzlers Dietrich von Besançon zwischen Rudolf I. von Hochburgund und Zwentibold, S. 63–73, plädiert aufgrund urkundlicher und annalistischer Quellen für eine vorsichtigere Bewertung des ersten Erzkanzlers der Rudolfinger und seiner Rolle bei der Ausbildung des Königreichs Hochburgund. Nicolas Carrier, Von der Sklaverei zur Leibeigenschaft. Unfreiheit im Königreich Burgund vom 8. bis zum 12. Jahrhundert, S. 74–100, rollt zuerst die von Georges Duby initiierte These eines Übergangs von der klassischen Sklaverei zur ma. Leibeigenschaft in einer sich im 10. und 11. Jahrhundert vollziehenden mutation féodale bzw. mutation de l’an Mil auf und lässt nochmals Kritiker und Befürworter des mutationnisme zu Worte kommen, um dann in einer sorgfältigen Analyse grundherrschaftlicher Quellen des 8.–12. Jhs. zu einer differenzierteren Sicht dieses Übergangs zu kommen. Erscheinen im Testament des Patricius Abbo um 739 Unfreie (servi) noch durchwegs als Sklaven im antiken Sinn, ohne das Recht eine Familie zu gründen oder Besitz zu vererben, so haben Unfreie (mancipia) im Polyptychon von Wadalde (813/14) bereits Zugang zur legalen Heirat und können ihren Nachkommen Güter vermachen. In den burgundischen Chartularien des 11. bis 12. Jhs. verschmelzen dann die verschiedenen rechtlichen Kategorien des 8. und 9. Jhs. bis hin zum Verschwinden des Terminus servus selbst. Wie der nominell Unfreie ist nun auch der nominell Freigelassene oder der Freie voll in das servitium für den Herrn und Grundbesitzer eingebunden. Am Ende dieses Prozesses der Einebnung früherer rechtlicher Unterschiede wird dann die Kontrolle des Herrn über den Besitz seiner Leibeigenen – gerade bei Heiraten – zum großen Thema. Pierre Vey, Marseille et l’horizon territorial. Aux origines du territoire de Marseilles au Moyen Âge, ou comment Arlulf s’imposa au sein du comitatus Massiliensis à la fin du Xe siècle, S. 101–114, skizziert die gesellschaftspolitischen Bedingungen des Aufstiegs von Arlulf, einem Gefolgsmann König Konrads III., der von diesem um 950 mit der Fiskaldomäne von Trets belehnt worden war, zum Beherrscher einer der wichtigsten Grafschaften in der Provence, des comitatus Massiliensis. Die vor allem die Nachrichten des Großen Chartulariums von St-Victor in Marseille auswertende Studie dokumentiert den Wandel in der Organisationsform regionaler Macht vom durch den König verliehenen Amt zur erblich weitergegebenen Würde. Einen ähnlichen strukturellen Wandel – nun aber bezogen auf die übergeordnete Einheit der Provence – untersucht Florian Mazel, Kirche, Mächte und Grundherrschaften in der Provence des 10. und 11. Jahrhunderts, S. 115–135, wobei der Vf. besonderes Augenmerk auf die Ausgestaltung der kirchlichen Grundherrschaft legt. Der beschränkte Zugriff der Grafen der Provence auf das Kirchengut begründet demnach die stark limitierte Macht fürstlicher Herrschaft in diesem Gebiet. Guido Castelnuovo, Kaiserin Adelheid und das Königreich Burgund, S. 136–151, begleitet Kaiserin Adelheid auf ihrer Reise ins Burgund im Jahr 999 und stellt die politische und religiöse Bedeutung ihrer Begegnungen mit den lokalen Protagonisten an den fünf Reisestationen Payerne, St-Maurice, Genf, Lausanne und Orbe heraus. Laurent Ripart, Das Ende eines Königreichs. Die grund- und adelsherrschaftliche Transformation der Zentralräume des rudolfingischen Königtums (Ende des 10. bis zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts), S. 152–173. Ausgehend von der Beobachtung, dass sich im rudolfingischen Königreich lediglich an der Peripherie (in den Grafschaften Burgund und Provence) fürstliche Dynastien etablieren können, während im transjuranischen Kerngebiet (ungefähr dem späteren Savoyen entsprechend) weiterhin die Monarchie die Fiskaldomänen sowie die Bischofs- und Abtwahlen kontrolliert und so die Autonomie der lokalen Adelsherrschaften stark beschränkt, benennt diese abschließende Studie Tendenzen und Entwicklungen, die erst in der ersten Hälfte des 12. Jhs. zu einer – gegenüber benachbarten Regionen – verzögerten «Territorialisierung» als Folge der Stärkung grund- und adelsherrschaftlicher Kräfte führen.

Zitierweise:
Steiner, Hannes: Rezension zu: Nowak, Jessika; Rüdiger, Jan (Hrsg.): Zwischen Basel und Marseille. Das Burgund der Rudolfinger (9.–11. Jahrhundert). Basel 2019. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 116, 2022, S. 425-426. Online: <https://doi.org/10.24894/2673-3641.00127>.

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